LEBENSTHEMEN und SCHLÜSSELBEGRIFFE

LEBENSTHEMEN und SCHLÜSSELBEGRIFFE

Text und Audios von Br. David Steindl-Rast OSB

[Audio ‹Schweigen› (52:10)] Bruder David: «In unseren stillen Stunden, in unseren Stunden des Hinhorchens, in alldem, was wir bisher gesprochen haben, nähern wir uns diesem Geheimnis des Ursprungs, des Springens aus der reinen Möglichkeit in die Wirklichkeit.

‹Warum gibt es irgendetwas und nicht nichts›?

Kinder fragen das immer, das ist eine zutiefst philosophische Frage.

Die Antwort ist: Ursprung.
Es springt aus dem Geheimnis.
Alles springt aus dem Geheimnis hervor,
und zwar im Dunkel.
Der Ursprung ereignet sich immer im Dunkel.
Man muss den Samen in die Erde legen,
ganz dunkel,
und dann kommt der Keim heraus.
Der Mutterschoß ist dunkel.
Unsere besten Einfälle kommen aus dem Dunkel.
Und darum sagt Rilke:
‹Ich liebe meines Wesens Dunkelstunden:
Aus ihnen kommt mir Wissen, dass ich Raum
zu einem zweiten zeitlos breiten Leben habe.›

In unseren Dunkelstunden wird uns das bewusst, dass dieses Leben: es ist mehr dran, als wir immer meinen.

‹Ich habe Raum›

‒ wieder diese Offenheit:

‹Ich habe Raum zu einem zeitlos breiten Leben.›

Und darum liebt er die Dunkelstunden und liebt er die Dunkelheit, aus der wir selber unsern Ursprung nehmen: diesen UR-SPRUNG.

Wir kommen aus dem Dunkeln, wir wissen nicht, woher wir kommen ‒ letztlich.

Wo kommen wir her?

Selbst die Wissenschaft: Urknall ist eine Theorie, wird vielleicht einmal überholt werden, aber heute ist es noch so die führende Theorie: Bis zu einer hundertstel Sekunde nach dem Urknall können wir noch wissenschaftlich gewisse Aussagen machen, aber dann: nichts ‒ dunkel ‒ weite Offenheit ‒ nichts.»[1]

Hinter dem Wort URSPRUNG steht das Bild eines Sprunges. Was springt da? Das Sein springt aus Nicht-Sein ins Dasein.

«Aus nichts wird nichts», heißt es im Volksmund ganz richtig. Der Quell allen Seins ist aber nur insofern «Nichts», dass er «nicht etwas» ist.

Er ist aber kein leeres Nichts. Dieses göttliche Nichts, das Angelus Silesius in seinem Zweizeiler «ein Nichts und Übernichts» nennt, ist der mütterliche Urgrund, schwanger mit unbegrenzten Möglichkeiten.

Der URSPRUNG ist dann der Sprung von Möglichkeit in die Wirklichkeit, aus reinem Möglich-Sein ins So-Sein.

«Die zarte Gottheit ist ein Nichts und Übernichts.
Wer nichts in allem sieht, Mensch, glaube, dieser sieht’s.»

Sieht was? Die göttliche Wirklichkeit in allem: das Große Geheimnis, das beide Pole des URSPRUNGS umfasst, das Sein und das Nicht-Sein und zugleich das Springen selber.

Der Name Schöpfer verweist mehr auf das Sein, der Name URSPRUNG mehr auf das Springen aus dem Nicht-Sein.

Ja, wir können lernen, in allem, was wir anschauen, zugleich das Große Geheimnis zu «sehen», es wirklich zu spüren als Nichts, hinter dem Ursprung ‒ als Hintergrund gleichsam.

So können wir ja auch bei Musik die Stille mithören lernen, nicht als etwas Zusätzliches, sondern als Voraussetzung.

Als Kind warst du ‒ wie alle Kinder es sind ‒ ein kleiner Philosoph. Kannst du dir erlauben, zu dieser Einfalt (nicht Einfältigkeit) zurückzufinden? Traue es dir doch zu, und dann lies nochmals aufmerksam diese Erwägung zum Gottesnamen URSPRUNG.[2]

Die Ahnung, die sich im Namen SCHÖPFER ausdrückt, steigt in uns auf, wenn wir die Schönheit der Welt sehen und die Gesetzmäßigkeit entdecken, die alles bis ins Kleinste ordnet.

Der Künstler in uns denkt unwillkürlich an die Kreativität eines überragenden Meisters und der Wissenschaftler in uns kann sich nicht genug wundern über die Kraft, die sich da ausdrückt. Was uns so beeindruckt, ist die Schaffenskraft einer höheren Wirklichkeit, die wir daher SCHÖPFER nennen.

Wir dürfen aber dichterische Bilder nicht wörtlich nehmen. Auch das Bild vom SCHÖPFER nicht. Wir haben es schon gesagt: Gott wirkt nicht «von außen» auf die Welt ein. Der Name SCHÖPFER weist auf die Größe des Geheimnisses hin, aus dessen kreativer Kraft alles, was es gibt, hervorgeht.

Auf welchem Gebiet bist du selber schöpferisch?

Vielleicht willst du heute einen Kuchen backen oder das Fahrrad reparieren. Je mehr wir unsere eigene Schöpferkraft entdecken und sie als Begabung, also als Gabe und Aufgabe erleben, umso ähnlicher werden wir dem SCHÖPFER.[3]

Alle Namen, die wir Gott geben, sind wie Brücken zwischen Nennbarem und Unnennbarem. Wir müssen es schaffen, zugleich auf beide Brückenköpfe zu schauen.

Nur ins unnennbare Licht zu schauen, das macht blind.
Aber nur Nennbares zu sehen, ist Kurzsichtigkeit.

Dass SCHÖPFER und URSPRUNG, Sein und Nicht-Sein, ein und dieselbe letzte Wirklichkeit bezeichnen, geht uns nur dann auf, wenn beide uns zugleich begeistern und erschaudern lassen.

Oder um ein anderes Bild zu gebrauchen: Im Strom erkennen wir die Quelle und in der Quelle den Strom, aber nur dann mit voller Wirkkraft, wenn wir uns der Strömung hingeben. Und diese Strömung ist eine FORMENDE: Sie greift ins Gestein wie ein reißender Wildbach.

Durch alles, was uns widerfährt, durch «Schönheit und Schrecken»[4], formt uns der FORMENDE, und doch nur so, wie wir es zulassen.[5]

In Rilkes Stunden-Buch findet sich ein wunderschönes Gedicht, das speziell für die Laudes[6] geschrieben sein könnte.

«Gott spricht zu jedem nur, eh er ihn macht,
dann geht er schweigend mit ihm aus der Nacht.
Aber die Worte, eh jeder beginnt,
diese wolkigen Worte, sind:

Von deinen Sinnen hinausgesandt
geh bis an deiner Sehnsucht Rand;
gieb mir Gewand.

Hinter den Dingen wachse als Brand,
dass ihre Schatten, ausgespannt,
immer mich ganz bedecken

Lass dir Alles geschehn: Schönheit und Schrecken.
Man muss nur gehn: Kein Gefühl ist das fernste.
Lass dich von mir nicht trennen.
Nah ist das Land,
das sie das Leben nennen.

   Du wirst es erkennen
an seinem Ernste.

Gieb mir die Hand.»
[7]

Es ist fast ein kleiner Schöpfungsmythos. Hier hört der Dichter, wie Gott im Schoß der Dunkelheit zu jedem von uns spricht, noch bevor wir geboren werden, bevor er uns vollendet. Dann begleitet Gott uns hinaus aus der Nacht.

«Von deinen Sinnen hinausgesandt,»

weist er uns an,

«geh bis an deiner Sehnsucht Rand;
gieb mir Gewand.»

Gott findet seine Äußerung in dieser Welt durch die Art und Weise, wie wir mit der geheimnisvollen Stille und Finsternis umgehen, aus der wir kommen.

Jeder ist dazu bestimmt, das göttliche Geheimnis
in seiner ganz persönlichen Eigenart auszudrücken.

Und während er uns ins Licht führt, spricht Gott zu uns:

«Lass dir Alles geschehn: Schönheit und Schrecken.
Man muss nur gehen: Kein Gefühl ist das fernste.
Lass dich von mir nicht trennen.»

Und zum Abschied sagt er uns:

«Nah ist das Land,
das sie das Leben nennen.
Du wirst es erkennen
an seinem Ernste.

Gieb mir die Hand.»

Dieses neue Land, in das wir gesandt werden, ist Gottes Geschenk: Sein erhabenes Geschenk, das Geschenk des Seins.[8]

Wir sind mit dem Großen Geheimnis zuinnerst geeint.

Wir erleben den FORMENDEN als unsere eigene innerste Sehnsucht zur Lebensgestaltung.

Fühlst du eine Stelle in deinem Inneren,
wo sich etwas verändern will?

Veränderung kann schmerzen. Aber wie gut, sich dessen bewusst zu werden, dass dein Leben nicht von äußeren Umständen getrieben seine Form erhält, sondern,

«wie es dir selber gefällt».[9]

Die Tiefe, das Schweigen, das Mysterium, der Mythos, das Dunkel muss sich aussprechen in Wort, Logos, Erhebung, Licht, Auge. Die beiden Bereiche gehören zusammen. Sie zusammenzubringen, das ist unsere eigentliche Arbeit. Jede andere Arbeit ist unbedeutend, oberflächlich, aber hier ist unsere wahre Arbeit. In der biblischen Sprache heißt sie Schöpfung. Rilke spricht davon, wenn er zu Gott betet:

«Du hast dich so unendlich groß begonnen
an jenem Tage, da du uns begannst, ‒
und wir sind so gereift in deinen Sonnen,
so breit geworden und so tief gepflanzt,
daß du in Menschen, Engeln und Madonnen
dich ruhend jetzt vollenden kannst.»
[10]

[Die Quellenangaben zum obigen Text in Anm. 1-3, 5, 7-10]


[Ergänzend:

1. ‹Gott spricht zu jedem nur, eh er ihn macht› (Rilke: Das Stunden-Buch)

Audio Lebendige Spiritualität (2015)
Schweigen:
(56:08) ‹Gott spricht zu jedem nur …›

Text in Einsichten aus Rilkes Dichtung, Teil 1  (2014), 32

2. Sensibilität für dichterische Sprache in Schöpfungsmythen

Bruder David im Vortrag Credo Ein Glaube, der alle verbindet (21. Oktober 2010) im Kardinal Wendel Haus, München:
(30:00) Der Schlüsselsatz
Es gibt michim Kontext von Schöpfungsmythen ‒ ein Schöpfungsmythos der Apachen

3. Urknall, ein moderner Schöpfungsmythos

Dem Welthaushalt freudig dienen  (2011)
Audio ‹Spiritualität und Ökumene›: Dialog und Fragerunde mit Pater Johannes und Bruder David:
(21:10) Schöpfungsmythen und Naturwissenschaft

4. «Dichtung verdichtet unser Erlebnis und zerredet es nicht.»[11]

4.1. TAO der Hoffnung  (1994)
Vortrag:
(20:41) Rabbi Sussja von Hanipol (Martin Buber in: Die Erzählungen der Chassidim): Es ist genug an einem Worte – ‹mit  e i n e m  Worte kann man die Welt erheben, mit  e i n e m  Worte kann man die Welt entsühnen› – Gott spricht ein einziges Wort (Thomas von Aquin): ‹Ich liebe› – ‹Du kannst das doch!› – Das ist es jetzt!

4.2. Begegnung der Religionen  (1993)
Vortrag:
(37:58)
Rabbi Sussja in der Deutung von Martin Buber und einem Axiom von Thomas von Aquin

4.3. Auf dem Weg der Stille (2023), 31f., mit einem Zitat von Martin Buber (1878-1965) in seinem Buch ‹Die Erzählungen der Chassidim› (1949): ‹Das Wort›, 375; siehe auch Religionen ‒ drei Innenwelten:

«Gott sprach und die Welt wurde erschaffen.

Das ist eine mythische Art und Weise, die Weltsicht der Bibel zum Ausdruck zu bringen:

Alles, was existiert, lässt sich als Wort Gottes verstehen. Diese Vorstellung ist derart zentral, dass man zu Recht sagen könnte, die Religionen Judentum, Christentum und Islam seien alle drei wie in einem Samenkorn in der Aussage ‹Gott spricht› enthalten.

In einer der chassidischen Erzählungen, die Martin Buber überliefert hat, kommt recht deutlich zum Ausdruck, welchen Vorrang in der westlichen religiösen Tradition das Wort hat.

Von Rabbi Sussja, einem der großen chassidischen Mystiker, wird erzählt, er sei nicht imstande gewesen, sich die Predigten seines Lehrers zu merken. In der Erzählung wird dieses bedenkliche Unvermögen folgendermaßen erklärt:

Rabbi Sussjas Lehrer hatte die Gewohnheit, vor seinen Predigten immer zuerst einen Abschnitt aus der Heiligen Schrift vorzulesen. Der Lehrer begann also damit, die Tora-Rolle aufzurollen, ‹Und Gott sprach› zu sagen und dann mit Lesen zu beginnen.

Aber an diesem Punkt ‒ als der Lehrer erst gesagt hatte: ‹Und Gott sprach› ‒ hatte der arme Rabbi Sussja bereits mehr gehört, als er aushalten konnte. Er begann sich so wild zu gebärden, dass man ihn aus der Synagoge führen musste. Da stand er dann im Flur oder im Holzschuppen und schrie: ‹Und Gott sprach! Und Gott sprach!› Das reichte ihm schon.

Martin Buber vermutet, dass Rabbi Sussja den Sinn von Gottes Wort tiefer als alle diejenigen verstand, die sich den Inhalt der Predigten ihres Lehrers merken konnten. Er schreibt:

Mit  e i n e m  Worte kann man die Welt erheben, mit  e i n e m  Worte kann man die Welt entsühnen.›»

4.4. An welchen Gott können wir noch glauben? (2008): Bruder David wiederholt die Erzählung von Martin Buber und fügt an:

«‹Das Wort ist Fleisch geworden›, das ist unsere christliche Botschaft, unsere westliche Botschaft, alles aufs Wort konzentriert. Und ‹der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt›, und so wird in dieser Tradition alles, was es gibt, als Wort, verstanden, indem Gott zu uns spricht. Und weil Gott so einfach ist, hat Gott nur eines zu sagen, und weil Gott die Liebe ist, hat Gott einfach nur zu sagen: ‹Ich liebe›, ‹Ich liebe dich.›»

4.5. Bruder David (30:54) im Vortrag Credo ‒ Ein Glaube, der alle verbindet (27. Oktober 2010) in Wien im Zusammenhang mit dem Gedicht ‹Piet Beauty›, deutsch: ‹Gescheckte Schönheit› von Gerard Manley Hopkins (1844-1889), einem britischen Lyriker und Jesuiten, der Bruder David sehr lieb ist; siehe die Mitschrift mit dem Zitat von Thomas von Aquin in Anm. 2:

«Für die unter Ihnen, die sich für theologische Feinheiten interessieren, ist es ganz wunderbar, dass Gerard Manley Hopkins, der auch ein großer Theologe war, hier sagt:

‹Er zeugt es hervor›,[12] im Englischen: ‹his fathers forth›, denn Thomas von Aquin (1225-1274) sagt, dass der Akt, in dem Gott das ewige Wort spricht: das eine, den Logos, derselbe Akt ist, in dem Gott die Welt erschafft.

Gott ist zu einfach, um zwei Akte zu haben: In  e i n e m  Schwung kommt aus dem Nichts, dem trächtigen Nichts, dem schwangeren Nichts des göttlichen ES, alles hervor. Das ist der Logos und die ganze Schöpfung in einem Schwung.»

Thomas von Aquin: «Das Wort: Kommentar zum Prolog des Johannes-Evangeliums (lat.-dt.)» (= Einführende Schriften, Bd. 1), übersetzt von Josef Pieper; hrsg. von Hanns-Gregor Nissing und Berthold Wald, München, Pneuma-Verlag [2017], 9:

«Wir nämlich sind unvermögend, alle unsere Erfahrungen in einem einzigen Worte auszusprechen; so müssen wir viele unvollkommene Worte bilden, durch die wir getrennt alles das aussprechen, was in unserem Wissen ist. In Gott aber ist es nicht so: weil er sich selbst und alles, was er durch seine Wesenheit erkennt, in einem einzigen Akt erkennt, darum spricht das einzige göttliche WORT alles aus, was in Gott ist, nicht nur die göttlichen Personen, sondern auch die Schöpfung; sonst wäre es unvollkommen. So sagt Augustinus: ‹Würde das WORT irgend weniger umfassen, als in dem Wissen dessen ist, der es spricht, so wäre das WORT unvollkommen. Nun aber ist gewiss, dass es auf die höchste Weise vollkommen ist; also ist es nur eines.› Und im Buche Hiob heißt es: ‹E i n Mal spricht Gott.› (Hiob 33,14).»

5. Die Sophia, die alttestamentliche Weisheit und der Mutterschoß des Nichts

5.1. ‹Schöpfer› hat einen ausgesprochen männlichen Klang. Berührend ist der weibliche Ton in der Seminarreihe (2011) mit Pater Johannes Pausch und Bruder David. Man spürt die Beziehung von Pater Johannes zu Heilpflanzen und Heilkräutern und wie Bruder David den Reichtum der Schöpfung auskostet.

Die Seminarreihe ist nachzuhören in den Audios Dem Welthaushalt freudig dienen (2011).

Die Begriffe ‹Ökologie›, ‹Ökumene› und ‹Ökonomie› bedeuten darin viel mehr als im Sprachgebrauch heute üblich. Sie beziehen sich im Sinn des altgriechischen Wortes ‹oikos› auf die Gesetzmäßigkeiten, das Zusammenleben und die Verwaltung unserer bewohnten, uns allen gemeinsamen, einzigen und unteilbaren Welt.

Auf der Basis dieser Seminarreihe ist das Buch Erkenntnis (2023) entstanden:

«Gott ist Weisheit. Weisheit ist Gott. Das eröffnet uns völlig neue Perspektiven. Wir können uns fragen, wohin es uns führt, wenn wir sie im Kosmos entdecken und betrachten, die heilige Weisheit namens sophia.» (82f.)

«Gott ist das Nichts. Aber er ist kein leeres Nichts. Er ist das schwangere Nichts, das alles in sich trägt.» (83)

«Manchmal höre ich von einem Menschen: ‹Ich glaube an nichts!› Und ich antworte ihm dann: ‹Da ist Ihr Glaube ja schon sehr weit fortgeschritten. Ich brauche immer noch ein Wort, ein Bild oder eine Erfahrung. An das Nichts zu glauben ist der Anfang der Weisheit, denn aus dem Nichts hat Gott alles erschaffen.» (83f.)

«Die Ökologie ist die Inkarnation der göttlichen Weisheit. Wenn sie alles geschaffen hat durch Wort, durch Bild, durch Erfahrung, begegnen wir in allem um uns herum der Wirklichkeit Gottes.» (84)

«Die Natur ist göttliche Weisheit. Wenn wir das sehen, begreifen wir, dass wir mit unserer Umwelt gerecht umgehen müssen.» (84)

«Wir sollten allem auf Gottes Erde mit liebevoller Ehrfurcht begegnen. Jedem Menschen, jedem Tier jeder Pflanze, all unseren äußeren und inneren Erfahrungen.» (85)

«Die Weisheit ist der Lebensatem des Geistes. Deshalb sind die drei Elemente der Weisheit, Geist und Vernunft in der Sprache des Neuen Testamentes gleichbedeutend.»

5.2. Bruder David (09:35) im Vortrag Credo ‒ Ein Glaube, der alle verbindet (27. Oktober 2010) in Wien:

«Das zweite im ES gibt mich ist das m i c h: Ich bin Teil einer unübersehbaren Vielfalt von Dingen: alles, was es gibt. Das ES weist auf das unmanifeste Göttliche hin, wie es im Hinduismus heißt, auf das Nichts, aus dem alles hervorkommt, aber nicht ein leeres Nichts, sondern ein mütterlicher Schoss, ein fruchtbarer Schoss des Nicht-etwas, aus dem alles, was etwas ist, hervorgeht.»]

___________________

[1] Transkription des Abschnittes in der Gesprächsreihe von Pater Johannes Pausch mit Bruder David in Lebendige Spiritualität (2015)
Schweigen:
(52:10) ‹Ich liebe meines Wesens Dunkelstunden› – ‹Du Dunkelheit, aus der ich stamme› – ‹Gott spricht zu jedem nur, eh er ihn macht› (Das Stunden-Buch)

[2] 99 Namen Gottes (2019): ‹12 al-Bāri’, der Schaffende, der URSPRUNG›, 30f. Das Zitat von Angelus Silesius in: ‹Cherubinischer Wandersmann: Erstes Buch, 111›

[3] Ebd. ‹11 al-Hāliq, der Schöpfer›, 28f.

[4] Orientierung finden (2021): ‹Religiosität ‒ was uns verbindet und heilt›, 63; siehe auch Religiosität ‒ Staunen und Ehrfurcht:

«Rudolf Otto (1869-1937) hat die Begegnung mit dem Geheimnis unter dem Aspekt des ‹Heiligen› gründlich untersucht. Er beschreibt die beiden Gefühle, die das Heilige in uns auslöst, als ‹tremendum› ‒ das heißt, es lässt uns ehrfürchtig erschaudern ‒ und ‹fascinans› ‒ das heißt, es löst begeistertes Entzücken aus.

Das Ruhen in einer stets schon unbewusst ersehnten Gegenwart zieht uns unwiderstehlich an; doch das schwindelerregende Anderssein dieser Gegenwart lässt uns erschaudernd zurückweichen.

Wir können das Widerspiel dieser beiden Gefühle an einem kleinen Kind am Strand beobachten: Sooft sich die Wellen zurückziehen, kräht das Kleinkind vor Freude und versucht, ihnen nachzulaufen, wenn aber die Wellen zurückkehren, schreit es erschreckt auf und krabbelt schleunigst auf trockenes Land.»

Bruder David ebenso im Zusammenhang mit den Versen zu Beginn von Rilkes Achter Duineser Elegie in Einsichten aus Rilkes Dichtung, Teil 1 (2014), 35-37

[5] 99 Namen Gottes (2019): ‹13 al-Muṣawwir, der FORMENDE, der jedem Ding seine Form gebende›, 32f.

[6] MUSIK DER STILLE  (2023): ‹Laudes ‒ TAGESANBRUCH›, 48:

«DIE KLÖSTERLICHE STUNDE der Laudes führt uns aus der Finsternis hinaus ins Licht. Mit den Laudes bekommen wir bei Sonnenaufgang den neuen Tag geschenkt. Die Vigil begleitete uns durch die feierliche Finsternis und die dunkle Ewigkeit der Nacht; jetzt feiern wir das Licht.»

Jetzt im Stundengebet: Haupttext und Ergänzend: 2. zu ‹Laudes ‒ TAGESANBRUCH›, 50:

«Die Musik schwingt sich empor: Es ist ein Gesang der Freude und ein Gesang der Dankbarkeit. Diese festliche Stimmung der Dankbarkeit und Freude zieht sich den ganzen Tag durch die Gesänge hindurch, sogar dann, wenn sie gemessener und zurückhaltender werden. Welche Gesänge wir uns auch anhören, es ist ein Widerhall dieser tiefen Freude darin zu hören, weil Freude selbst mitten im Leiden und mitten im Schmerz angebracht ist.»

[7] Rilke: Das Stunden-Buch, das Gedicht vollständig in Die Achtsamkeit des Herzens (2021), 35f.; Einsichten aus Rilkes Dichtung, Teil 1  (2014), 32, und Sinnenfreudiges Morgenlob

[8] MUSIK DER STILLE  (2023): ‹Laudes ‒ TAGESANBRUCH›, 48f.

[9] Fortsetzung und Schluss des Textes in Anm. 5

«wie es dir selber gefällt» bezieht sich auf die 2. Strophe des Kirchenliedes von Joachim Neander: ‹Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren›:

«Lobe den Herren, der alles so herrlich regieret,
der dich auf Adelers Fittichen sicher geführet,
der dich erhält, wie es dir selber gefällt;
hast du nicht dieses verspüret?»

Siehe auch Gotteslob 392 und Gotteslobvideo (GL 392): Lobe den Herren

[10] Bruder David in Arbeit und Schweigen ‒ Handeln und Kontemplation im Buch Geist und Natur (1989), 290; siehe auch Dunkelstunden

[11] Ebd. 294

[12] Siehe auch Schöpfung ‒ ES gibt: Ergänzung: 2.: ‹Der springende Punkt: Schöpfung ist Selbstmitteilung Gottes› mit Anm. 17:

Das Große oder Nizäno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis, das in der Liturgie verwendet wird, spricht von Jesus Christus als

‹Deum de Deo,                                      ‹Gott von Gott
Lumen de Lumine,                              Licht vom Licht
Deum verum de Deo vero,                 wahrer Gott vom wahren Gott,
genitum non factum,                          gezeugt, nicht geschaffen,
consubstantialem Patri,                     eines Wesens mit dem Vater
per quem omnia facta sunt.              durch ihn ist alles geschaffen.›

Der Gegensatz von ‹gezeugt, nicht geschaffen› könnte den Eindruck erwecken, als ob zwischen Jesus Christus: ‹gezeugt› und der Schöpfung: ‹geschaffen› eine dualistische Spaltung bestehe. Auch die Schöpfung, wie alles Lebendige, wird nicht  e r zeugt, sondern  g e zeugt. Wenn wir so tief in den Namen Jesu eintauchen wie Bruder David im Herzens- oder Jesus-Gebet, begegnen wir dem kosmischen Christus, der die Schöpfung einschließt:

«Wenn ich jedem Ding und jedem Menschen, den ich treffe, diesen Namen gebe, wenn ich ihn mir in jeder Lage vergegenwärtige, dann erinnere ich mich daran, dass all dies nur Erscheinungsformen der unerschöpflichen Fülle des einen ewigen Wortes Gottes, des Logos sind.»



Quellenangaben

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