LEBENSTHEMEN und SCHLÜSSELBEGRIFFE

LEBENSTHEMEN und SCHLÜSSELBEGRIFFE

Text, Videos und Audios von Br. David Steindl-Rast OSB

«Du großes Geheimnis, Quellgrund meines Lebens, Meer, dem alles zuströmt!

Mir wird immer klarer: Alles hängt von einer Entscheidung ab: Lebensvertrauen oder Lebensfurcht.

Aber fast tatsächlich erschüttert irgendetwas mein Vertrauen.

Was soll ich dann tun?

Ich will mir bewusst machen, auf wie vieles
ich mich immer noch vertrauensvoll verlasse,
ohne es zu beachten ‒ Atmung, Verdauung, Blutkreislauf;
Stromnetz, Verkehrsnetz, Lebensmittelversorgung …

Mein schlafwandlerisches Vertrauen auf all dies
will ich mir heute bewusst machen und es stärken.

In Furcht leben ist ja ärger als alles, was ich befürchten könnte.

Dir will ich also vertrauen, Du mein Leben.

Amen»

[Du großes Geheimnis: Gebete zum Aufwachen (2019): ‹85 ‒ Lebensvertrauen›, 94]


[Ergänzend:

1. LEBENSVERTRAUEN, in: Das ABC der Schlüsselworte, im Buch: Orientierung finden (2021), 146:

«Lebensvertrauen ist unsre angeborene Grundhaltung. Misstrauen hingegen erlernen wir erst später und es bleibt eine intellektuelle Einstellung, die zu unsrem Alltagsverhalten dauernd in Widerspruch steht. Wir vertrauen ja ‒ meist ohne uns dessen ausdrücklich bewusst zu sein ‒ den Lebensvorgängen, ohne die wir keinen Augenblick weiterleben könnten. In einer solchen inneren Zerrissenheit zu leben, das kann uns krank machen. Vernünftiges Lebensvertrauen nimmt die vielen Beweise, die uns unsre physische Lebendigkeit von der Vertrauenswürdigkeit des Lebens liefert, ernst und baut darauf auf.

Wenn das Leben sich in den Bereichen von Atmung Stoffwechsel oder Blutkreislauf so verlässlich erweist, sollten wir uns dann nicht in allen Bereichen mehr auf die Weisheit des Lebens verlassen als auf unser begrenztes Wissen?

Wir dürfen vertrauen, dass uns alles, was das Leben uns bringt, zum Besten gereicht, auch wenn das im Augenblick nicht so offensichtlich ist.

Rückblickend können wir feststellen, dass die weisesten Entscheidungen vom Leben getroffen wurden, nicht von uns selbst.»

2. Filme

2.1 Filminterview Was am Ende wirklich zählt (2022) und Transkription, 2f.:

(05:58) Isha Johanna Schury: «Wie können wir denn das Vertrauen in uns finden, wenn wir’s nicht spüren, wenn wir das Gefühl haben: Ach, wir haben die Verbindung zu diesem Vertrauen gar nicht so richtig. Wo können wir das denn finden?»

David Steindl-Rast: «Für viele Menschen ist das eine große Schwierigkeit. Weil es ihnen vielleicht genommen wurde durch schwere Erlebnisse und so. Aber wenn wir zurückschauen auf unser Leben ‒ und dazu brauchen wir gar nicht so besonders alt sein, wenn wir zurückschauen auf unsere Lebenserfahrungen, dann sehen wir, dass auch das Schlimmste, das uns zugestoßen ist, von dem wir gedacht haben: Also das ist jetzt wirklich das Ende und das ist nur schrecklich, dass auch das immer zum Besten war.

Also, dass Leben auch aus den größten Schwierigkeiten immer das Beste hervorbringt.

Ich habe das schon öfters erlebt, dass, wenn man Menschen einlädt, einmal zurückzuschauen und zu sehen, ob sich das in ihrem eigenen Leben bewahrheitet, dann alle sagen, auch die jungen: ‹Ja das ist schon eigentlich wahr, auch was mir die größten Schwierigkeiten gemacht hat, wurde schließlich doch eine Quelle neuen Lebens und neuer guter Erfahrungen›.

Dass wir aufs Leben vertrauen können und dürfen, ist eine Lebenserfahrung. Wenn wir nur still werden und darüber nachdenken.

Außerdem kann man sich auch fragen: Wenn ich ohne Lebensvertrauen lebe, was ist dann das Gegenteil?

Es ist Furcht. Es ist beständige Furcht. Das ist ja kein Leben. Das ist ja wie Tod, so hinzuleben, so mit ständiger Furcht.

Und leider leben viele Menschen mit dieser Furcht. Und darum ist es eine ganz wichtige Aufgabe, auch eine Aufgabe für ältere Menschen, den jüngeren Lebensvertrauen irgendwie zu vermitteln.

Das meiste vermittelt man durch sein Beispiel natürlich. Aber auch es verständlich zu machen, darin sehe ich auch für mich eine große und wichtige Aufgabe.»

2.2. Bruder David im Film Aus Dankbarkeit kraftvoll führen (2019); Mitschrift des Vortrages, 1:

«Herzlichen Dank für die Einladung, ein paar vorbereitende Worte zu sprechen.

Und vielleicht sollten wir anfangen mit uns selber, sozusagen, jede und jeder von uns:

Was haben wir mitgebracht? Was bringen wir?

Was kann ich sicher sein, dass jede und jeder von Euch jetzt mitgebracht hat?

Und das Wort, das ist ein ganz wichtiges Stichwort, ist Lebensvertrauen ‒ Lebensvertrauen.

Wenn wir nicht Vertrauen ins Leben hätten, wären wir nicht hierhergekommen. Und dieses Lebensvertrauen wird durchwegs ganz was Wichtiges bleiben, denn Dankbarkeit ist ein Ausdruck des Lebensvertrauens, und eine Methode, das Lebensvertrauen immer wieder zu stärken.

Also es geht von Anfang bis Ende um Lebensvertrauen und das habt Ihr schon mitgebracht, das ist schon da.

Allerdings dieses Lebensvertrauen hat verschiedene Grade. Und vielleicht können wir uns jetzt fragen ‒ könnt Ihr Euch selber fragen:

Wo ist denn jetzt ungefähr der Temperaturstand meines Lebensvertrauens?

Null, Gefrierpunkt ist es sicher nicht, Siedepunkt wahrscheinlich auch nicht, also wo liegt es ungefähr?

Ihr braucht es nicht den andern sagen, aber es ist ganz gut, es selber zu wissen:

Wo stehe ich jetzt ungefähr in meinem Lebensvertrauen?»

3. Audios

3.1. Gespräche im Lehrgang «Geistliche Begleitung»
Zweites Kamin-Gespräch mit David Steindl-Rast:
(22:09) ‹Du sagst Glaube, aber man könnte ebenso gut Lebensvertrauen sagen, es geht genau um dasselbe› ‒ Lebensvertrauen, ein kostbares Gut

3.2.1. Interreligiöser Dialog (2014)
Bruder David: Grußwort und Vortrag:
(12:18) «Religiöser Glaube ist radikales Vertrauen aufs Leben. Das ist ein Akt, wir müssen uns dem anvertrauen. Wenn wir uns nicht anvertrauen, haben wir nicht das richtige Verhältnis zum Leben. Wir können wählen. Wir können uns dem Leben anvertrauen oder nicht.»

3.2.2. Interreligiöser Dialog (2014)
Gespräch, Fragen nach dem Vortrag:
(00:49) «Wenn ich mir vorstelle: Menschen, die jetzt in Irak oder in Syrien leben ‒ ich habe selbst Freunde dort, die all dieses Schreckliche erleben: Wie soll ich denen dann sagen: Vertraut, habt das Urvertrauen, die Verlässlichkeit in die Dinge, wenn so schreckliche Dinge passieren?»

Bruder David: «Ich glaube, das ist eine Frage, die sich vielen von uns stellt und daher bin ich sehr dankbar für die Frage. Wenn wir uns in einer solchen ganz schrecklichen Situation befinden ‒ und ich bin unter Hitler aufgewachsen, unter fallenden Bomben und alle unsere Freunde sind immer eingezogen worden und waren wenige Monate später tot. ‒ Ich habe solche Sachen erlebt:

Wenn wir mitten in einer solchen Situation sind, löst sich das ganz von selbst: Wir haben spontan Vertrauen aufs Leben.

Nicht: Ich vertraue dem Polizisten, oder dem Mann, der da aggressiv wird oder so: Das heißt’s nicht. Aber in dem Augenblick, wo ich mit dieser Aggression konfrontiert bin, vertraue ich ganz spontan aufs Leben.

Das Leben in uns ist so stark, dass es das einfach tut. Und je schwieriger die Umstände werden, um so leichter fällt es uns, wir haben gar keine Zeit, drüber nachzudenken. Es tut sich einfach.

Und wir kennen aus andern, weniger dramatischen Umständen, dass man manchmal, wenn man nicht Zeit hat zu überlegen, das Richtige tut und wenn jemand fragt: ‹Wie hast du denn das gemacht›? ‒ ‹Ich habe gar keine Zeit gehabt, mir zu überlegen, es hat sich einfach getan.›

Und diese Dinge, die sich so einfach tun, die sind das Richtige.

Und wenn wir in so ganz schwierigen Situationen sind, fließt das so durch uns durch.

Beweisen kann man es natürlich nicht, und ich hoffe, dass Sie nie in einer Situation sein werden, wo Sie‘s erleben, aber wer es erlebt hat, wer solche, ganz schwierige Situationen erlebt hat, der weiß: So geht’s. Das Leben in uns ist so stark, dass es dieses Vertrauen hat und das Vertrauen erfüllt wird.»

3.3. Die Weisheit, die alle verbindet ‒ Wie die Religionen zusammenfinden können (Mitschrift) (2010), 9:

(43:06) Wir können von den Glaubenssätzen der Religionen zum Urglauben vorstoßen?

«Und dieser Urglaube ist das Vertrauen auf das Leben.

Das ist uns eingegeben. Das haben wir als Menschen.

Wir vertrauen dem Leben. Ob wir jetzt Buddhisten, Christen, Hindus, Atheisten, Agnostiker sind, alle ‒ jeder Mensch ‒ hat dieses tiefe Vertrauen auf das Leben, als Mitgift.

Und dieses Lebensvertrauen, das ist der Urglaube.

Manchmal wird dieser sehr schwach, wenn wir enttäuscht sind, wenn unser Vertrauen enttäuscht wird, im Laufe des Lebens. Das kann große Schmerzen und Verhärtungen geben.

Aber tief im Innersten haben wir alle diesen Glauben. Und dieser Glaube hat Kraft und Wärme genug, um das Eis der ‹–ismen› (Dogmatismus, Ritualismus, Moralismus) zu schmelzen.»

3.4. Das Leid des Lebens zu Herzen nehmen ‒ Goldegger Dialoge (1992)
Erstes Seminar mit Bruder David im Rittersaal des Schlosses Goldegg:

(23:13) «Das Wachstum des Glaubenslebens ist eine durch Krisen fortschreitende Verinnerlichung.»

(23:31) «Um den Glauben beten ist ganz entscheidend, aber wir sollen das nicht missverstehen als beten, etwas glauben zu können, sondern um den Glauben beten heißt in erster Linie: um Lebensvertrauen, um Gottvertrauen, um Vertrauen zu beten.

Wir beten um größeres Vertrauen und dieses Gebet wird immer sofort erhört, denn dieses Gebet ist schon die Geste, mit der wir uns dem Vertrauen öffnen.

Wir können nicht um Vertrauen beten ohne Vertrauen zu haben, dass das Vertrauen uns geschenkt wird. Diese Art von Gebet erfüllt sich gleich.

Aber es ist doch notwendig, immer wieder stehen zu bleiben und unser Herz in dieser Richtung zu öffnen.

Um Glauben beten, das ist ungeheuer wichtig. Wir vergessen das oft. Bis wir unten durch sind, und plötzlich wachen wir dazu auf.»]



Quellenangaben

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